robert_s hat geschrieben: 14.06.2021, 01:13
Guter Punkt: Es ist eh davon auszugehen, dass das Nutzungsverhalten sich weiter individualisieren wird. Ein "Punkt 20 Uhr schaltet halb Deutschland die tagesschau ein" wird es weniger und weniger geben. Und wenn die Leute eh alle zu unterschiedlichen Zeiten schauen, dann bringt Multicast oder Broadcast nichts - ebensowenig wie DVB-C. Stattdessen wird man eben die Netze ertüchtigen müssen, mit dem Nutzungsverhalten mitzuhalten. Denn glaubst Du ernsthaft Aufrufe wie "Bitte schafft euch wieder DVB-C Recorder an und timeshifted selbst!" hätten irgendwelche Erfolgsaussichten? Dann werden die Nutzer sich eher einen anderen Internetanbieter mit einem potenteren Netz suchen.
Wieso "wieder anschaffen"? Haben wir die Recorder jemals abgeschafft?
Aber da kann ich halt nicht helfen. Wenn die Nachfrage da ist, werden es die Anbieter wohl machen. Machen sie ja heute schon, auch wenn heute noch die Mehrheit über DVB zuguckt. Aber wo soll das hinführen? Nehmen wir an, wir schalten von heute auf morgen den klassischen Rundfunk ab und verlagern alles ins Netz. Dann würde man sehr schnell feststellen, dass die Kapazitäten gar nicht vorhanden sind (trotz Abschaltung DVB-C, denn s. o. Timeshift-Nutzung usw.) und das ganze Netz würde zusammenbrechen. Also muss man das Netz massiv ausbauen, aber dann auch die Preise erhöhen, sonst geht man pleite. Im Endeffekt zahlen die vielen zukünftigen IPTV-Kunden dann viel höhere Gebühren als zuvor beim klassischen Fernsehen + relativ langsamem Internet und bekommen lediglich dieselben Inhalte, jedoch mit einer supertollen Timeshift- und vielleicht besserer Mediathek-Funktion, also Funktionen, die sie mit eigenem Recorder, der sich innerhalb kürzester Zeit amortisiert hätte (halbwegs brauchbare DVB-USB-Sticks gibt's schon für unter 20 Euro!!!), längst schon hätten haben können bei den (bisherigen) niedrigen TV- und Internetgebühren.
Individuelle Logik/Rationalität führt halt oft nicht zu gemeinschaftlichem Nutzen und betriebswirtschaftliches Denken von Einzelnen ersetzt keine volkswirtschaftliche Gesamtstrategie. Ein Vergleich: Stell dir mal vor, man würde auf morgen den gesamten ÖPNV stilllegen und jeder müsste mit dem Auto fahren. Machen ja sehr viele und sehen die frei wählbare Startzeit der Fahrt als großen Vorteil. Problem nur: Wenn jeder mit dem Auto fährt, stehen auch alle im Stau! Zudem wird es für die Allgemeinheit insgesamt teurer. Und das ist nur die ökonomische Sichtweise, die ökologische ist ebenfalls vernichtend in diesem Beispiel.
D3.1-Modems gibt's, künstliche Verkrüppelung nicht erforderlich.
Nein, so meine ich das nicht. Ein Modem besteht doch immer aus Modulatoren und Demodulatoren. Ich brauche nur Letztere, z. B. in einem USB-Stick. Oder wie machst du dein Segmentauslastungsscanprojekt im D3.1-Bereich - mit einem umkonfigurierten Modem? Mich würde mal interessieren, wie viel ein OFDM-Tuner, der bspw. einen Block bis zu einer Breite von 192 MHz "locken" kann, kostet.
Du musst einfach nur den gedanklichen Sprung machen: Von "Was finde ich am Rundfunk besser als am Streaming?" zu "Wie bilde ich das, was ich am Rundfunk gut fand, mit Streaming nach?". Dann kommst Du konstruktiveren Ergebnissen.
Mal davon abgesehen, dass "Streaming" nicht ausschließlich "IP" ist: Könnte ich machen. Nur versuche ich die ganze Zeit Folgendes klar zu machen: Es besteht gar keine Notwendigkeit, den Rundfunk durch etwas anderes zu ersetzen.
Ich halte das inzwischen für eine Phantomdebatte, weil sie immer wieder aufkommt, weil anscheinend gewisse Interessen dahinterstecken. Umso wichtiger finde ich es, dagegenzuhalten. Schau mal, Rundfunk ist eine geniale Sache: Er ist im FTA-Bereich überall frei, d. h. mit freier Hardware nach offenen Standards, verfügbar. Er
garantiert den Veranstaltern einen
unbeeinträchtigten Weg zum Empfänger
unabhängig vom Internet (also eben auch bei Internetausfall, was nicht nur im Katastrophenfall von Relevanz ist). Im Falle von Terrestrik und Sat ist der Empfang von FTA-Programmen sogar kostenlos (vgl. Internetgebühren), da die Sender die Verbreitung zahlen. Sollte das eingestellt werden, wäre es eben kein Fortschritt, wie es manchmal suggeriert wird, sondern ein technischer Rückschritt. Wäre das Internet zuerst erfunden worden, hätte man irgendwann Rundfunkübertragungen eingeführt und angepriesen als ein System, wo Inhalte eben nicht kompliziert in Einzelstreams an die Nutzer geschickt werden müssen, sondern identische Inhalte nur einmal ausgestrahlt werden, aber von allen empfangen werden können. Statt 1000-mal dieselben YouTube-Videos klicken zu müssen, könnte man sie je 1x lokal auf HDD/SSD abspeichern, nur als Beispiel. Halt nein, da gibt es diesen amerikanischen Konzern, der mit kleinen Werbefilmchen Geld verdienen will? Das ist dumm. Und da sieht man wieder: BWL-Logik eines Großunternehmens führt wieder nicht zu einer Lösung, die für alle die beste wäre...
Jedenfalls würde die Gesellschaft bei Abschaltung des Rundfunks ein ganzes Stück ärmer werden. Und es werden längst nicht alle "einfach so" mitmachen. Es ist ein Irrglaube, dass der Trend in Richtung IP bei der TV-Nutzung unaufhaltsam ist. Vielmehr wird irgendwann eine Sättigung eintreten und viele Menschen werden ausschließlich IP nutzen, viele aber trotzdem weiterhin DVB (oder einen Nachfolgestandard) und die allermeisten werden Beides nutzen und die Vorteile beider Systeme schätzen. Da kann man nicht einfach eines abschalten.